Violeta Mikić

Pausenbrief 09 | 2016

Werte im Wandel: Ist Verbindlichkeit spießig?
Ein Plädoyer gegen falsch verstandene Coolness

Liebe Leser,

die Ferienzeit ist vorüber. Nun hat uns der berufliche Alltag wieder fest im Griff. Ach, wie genieße ich die kleinen Auszeiten wie ein geselliges Feierabendbier oder ein Abendessen unter Freunden. Ein viel zu seltenes Vergnügen, fürchte ich, denn unser Terminkalender hat nun mal stets Vorfahrt. Oder ist das nur eine faule Ausrede? Auch soziale Kontakte wollen gepflegt werden. Wie das geht, erfahren Sie hier. Und wie immer heißt es dabei: Genießen Sie Ihre Pause!  

 

Die Jugend macht es uns vor: »Heute Abend Biergarten? – Klingt gut – Mal sehen, ob ichs schaffe – Okay, lass uns später noch mal telefonieren!« So lauten die knappen Dialoge per SMS oder auf What’s App – und immer häufiger auch auf Bürofluren zwischen Tür und Angel. Am Ende bleibt es meistens bei den durchaus ernst gemeinten Absichtsbekundungen. Und dann geht jeder doch wieder seiner vielbeschäftigten Wege. Wer allzu schnell verbindlich zusagt, macht sich unter den Kids gleich verdächtig. Wer wird denn so viel Zeit haben? Ein verschrobener Mensch ohne soziale Kontakte! Ein hoffnungsloser Spießer, der auf feste Verabredungen setzt statt auf entspannte Flexibilität! Fast scheint es, als schwappe dieser Wertewandel durch sämtliche sozialen gesellschaftlichen Schichten – vom jungen Hipster bis zum gestressten Manager. Schade eigentlich, dass wir ständig so verdammt spontan sind. So kommen wir tatsächlich kaum noch zusammen … 

 

Auch wenn der Begriff der Spießigkeit allerorten verpönt ist, halte ich es auch und gerade im Privaten gern mit einigen alten preußischen Tugenden: Verbindlichkeit. Verlässlichkeit. Pünktlichkeit. Das macht gutes Benehmen aus, zollt dem Gegenüber Respekt und gewährt ein gesundes wie konstruktives Miteinander. Ich meine, die allgegenwärtige spontane Lässigkeit des »Mal sehen« ist nur eine billige Ausrede für Entscheidungsfaulheit. Der mangelnde Wille, sich festzulegen, bringt niemanden weiter. Er nervt.  

 

Zeitgenössische mediale Netzwerke wie Facebook bieten uns fragwürdige Optionen, auf persönliche Einladungen per Multiple-Choice-Verfahren zu reagieren: »Teilnehmen – Vielleicht – Interessiert«. Derlei »Interesse« kann mir getrost gestohlen bleiben. Partylöwen, aufgepasst: Wer darauf wartet, ob sich nicht noch etwas Besseres ergibt, wird am Ende oftmals in die Röhre schauen. Und so manchem Gastgeber, der sich die Mühe macht, ein Abendessen zu organisieren, das Gefühl geben, die zweite Wahl zu sein. Im Business wäre das ein absolutes No-Go!  

 

In diesem Sinne bleibe ich dann doch lieber ein bisschen spießig, aber dafür umso zuverlässiger: 

 

Ihre Violeta Mikić.