Violeta Mikić

Pausenbrief 07 | 2017

Guter Rat ist teuer! Ein Besuch in der Bücher-Apotheke
Wie viel Lebenshilfe passt eigentlich zwischen zwei Buchdeckel?

Liebe Leser,

in diesem verregneten Frühsommer habe ich mich mit höchst professionellem Interesse durch die allgegenwärtigen Bestseller-Ratgeber für diverse Lebenslagen geschmökert. Von der gesunden Lebensführung über Krisenbewältigung und Selbstfindung bis hin zur perfekten Karriereplanung reicht die vielversprechende Palette der prall gefüllten Regale. Wie hilfreich sind solche Bücher? Brauchen wir die wirklich? Meine dabei gewonnenen Erkenntnisse will ich Ihnen nicht vorenthalten. Und wie immer heißt es dabei: Genießen Sie Ihre Pause. 

 

Im gewaltig kriselnden deutschen Buchhandel boomt allein das breit gefächerte Genre des Ratgebers. Warum? Mangelt es an den früher geschätzten Quellen des gutes Rates, von Eltern, Freunden, weisen Alten? Nicht unbedingt. Schriften wie diese sind nicht ganz neu. In den »Confessiones« (dt. »Bekenntnisse«) des Philosophen Augustinus von Thagaste (354 – 430) etwa geht es neben theologischen Fragen des damals noch jungen Christentums vor allem um Selbstreflexion im Sinne eines modernen und durchaus tauglichen Ratgebers. Nützlich waren diese Bücher schon immer. Sie dienen dem Leser seit je als Erweiterung des eigenen Horizonts, als Exempel, bieten gedankliche Experimente und praktikable Übungen.  

 

Freilich tummeln sich heute einige zweifelhafte Titel mit kaum mehr als Kalenderweisheiten auf dem Buchmarkt. Je aggressiver Glück, Reichtum, Erfüllung (»In nur sieben Schritten zum Erfolg«) versprochen werden, desto mehr Skepsis ist angebracht. Unser jeweiliges individuelles Leben lässt sich nun mal nicht per Gebrauchsanweisung führen. Und doch konnte ich dem Gros der vielfältigen Lektüre bereichernde Effekte abgewinnen. Vor allem, wenn es sich um autobiografisch geprägte Werke handelte. Der US-Psychologieprofessor John Norcross hat dies in empirischen Studien als therapeutisch besonders wirksam bestätigt – ein Patient, der neben seiner Psychotherapie Lebensgeschichten von Leidensgenossen liest, findet sich darin wieder und verzeichnet deutlich schnellere Behandlungsfortschritte. Wer lediglich Orientierung sucht, profitiert ebenfalls mehr von Erfahrungsberichten als aus stereotypen How-to-do-Anleitungen, wie es bereits der gute alte Aristoteles mit seiner Schrift »praxéos mimesis« (»Was mir widerfahren ist und wie ich es bewältigt habe«) feststellte. 

 

Mein Fazit: Der Ratgeber aus dem Buchhandel vermag gewiss kein persönliches Coaching ersetzen, doch (sofern sorgsam ausgewählt) durchaus ergänzen. Auch aus fremder Erfahrung wird man klug. Gottlob muss man nicht jedwedes Drama am eigenen Leibe erfahren, um dennoch daraus zu lernen. 

 

Lesen bereichert! In diesem Sinne verbleibe ich:  

 

Ihre Violeta Mikić. 

 

 

 

 

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