Violeta Mikić

Pausenbrief 01 | 2024

Was ist das neue Wie

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

trotz Rauhnachtritualen und Silvester beginnt das neue Jahr mit etwas Altem. Sagen wir, mit einer Vertrautheit, die sich aus unseren Erfahrungen speist. Vieles ist nun mal nicht neu, sondern bleibt, was es war oder geht weiter wie bisher, und nur, wer radikal Kind geblieben ist, wird dem heuer widersprechen. Wir beginnen nüchtern. Warum noch um den heißen Brei herumreden? Wer die Welt entzaubert, sollte so ehrlich sein und nicht mehr auf volle Nikolausstiefel hoffen. So gesehen ist es vielen Menschen inzwischen auch ganz geläufig zu fragen: Wie wird das neue Jahr? In dem "Wie" steckt schon ihre Antwort. Es ist eine Routinefrage, ohne echten Spielraum. Das "Wie" ist selbst Teil unserer Erfahrungen. Nun, das neue Jahr wird keine Friedensmatrix bringen, keine Lösung der globalen, gar planetarischen Probleme, nicht wahr?


Sie merken, ich will das Fragen selbst befragen. In der persönlichen Suche danach, wie sich Dinge ändern lassen, habe ich irgendwann im letzten Jahr bemerkt, dass wir eigentlich fast nur noch nach dem "Wie" fragen. Wir sind so gewöhnt daran: "Wie war euer Meeting?", "Wie war der Film?", "Wie war dein Geburtstag?", "Wie war der Urlaub?" Sicher hängt das mit unserem Fokus auf Methodik zusammen. Auch mit einer konzentrierten Art, sich im Prozesshaften zu verorten. Es gilt allemal für mich selbst. Doch plötzlich kam dieser Schlag – warum fragen wir nicht nach dem "Was"?


"Was ist das neue Jahr?", "Was war der Film?", "Was ist Urlaub?" – Schon in diesen wenigen Beispielen schwingt eine Öffnung mit. Eine ganz unvermutete, vorsichtige Umstellung der Position, leicht verschoben und doch frappant. Ja, was ist denn das neue Jahr?? Pause. Wissen Sie es? Ich weiß es nicht. Pause.


Mit dem "Was" rufen wir einen Fragesektor auf, der größer ist, als das, was unsere Antwortroutinen sättigen können. Nach dem Was eines Jahres, eines Festes, eines Geburtstages zu fragen, enthält eine existentielle Note. Die Spule, die immer gleich abrollt, hält an. Und darin liegt eine Öffnung. Nennen wir sie "Chance". Die Chance mag nur Sekunden dauern. Aber mitunter können Sekunden Leben retten, auch im übertragenen Sinn.

 

Das glaubt

Ihre Violeta Mikic