Violeta Mikić

Pausenbrief 10 | 2017

Buhuhuuu, hier kommt das schaurig-schöne Halloween!
Über die Lust am Spiel mit dem Gruselfaktor

Liebe Leser,

alljährlich am 31. Oktober pilgern finstere Gestalten durch die Straßen, machen selbst vor unserer Haustür nicht Halt, um uns zu erschrecken. Zu Halloween heißt es: »Süßes oder Saures!« Wer die kleinen Plagegeister fix loswerden will, ist gut beraten, ein paar Leckereien vorrätig zu haben. Für die Süßwarenindustrie ist der Herbst inzwischen die drittwichtigste Saison im Jahr nach Weihnachten und Ostern. Alles nur ein tolles Spektakel für Kinder? Wir dürfen dem bizarren Brauch interessantere Aspekte abgewinnen. Und wie immer heißt es dabei: Genießen Sie Ihre Pause! 

 

Kinder lieben das Wechselspiel von Fantasie und Wirklichkeit. Zwar wissen sie, dass hinter der Furcht einflößenden Hexenmaske der Schulkamerad steckt, doch irgendwie bleibt da ein Zweifel. Genau das macht die Sache so unheimlich, aufregend und segensreich zugleich: Halloween bietet Gelegenheit, spielerisch Ängste vor unerklärlichen Phänomenen zu überwinden und eigene Grenzen auszuloten. 

 

Die bizarre Lust am Gruselfaktor bleibt uns auch im Erwachsenenalter erhalten, wie etwa das höchst erfolgreiche Genre des Horrorfilms belegt. Ein Hormon-Mix aus Cortisol, Adrenalin, Endorphinen und anderen körpereigenen Botenstoffen strömt durch unsere Adern, jagt uns wohlige Schauer über den Rücken, erzeugt Gänsehaut. Erklären sich die satten Zuschauerquoten schlicht durch den Reiz widerstrebender Gefühle? Prof. Peter Walschburger von der Freien Universität Berlin differenziert: »Es ist nicht möglich, gleichzeitig etwas Positives und Negatives zu erleben.« Das Ganze geschieht also in schönster Abfolge: Erst schlägt man vor Schreck die Hände vors Gesicht, um alsbald neugierig durch die Fingerschlitze zu blinzeln. Sobald der Schock nachlässt, belohnt uns das anschließende Wohlgefühl, basierend auf dem Urvertrauen, dass die gezeigten Szenen gar nicht real sind, wir uns – im Gegensatz zu den Leinwandcharakteren – in Sicherheit wiegen dürfen. 

 

Freilich ist die Angsttoleranz eine höchst individuelle Angelegenheit. Besonders sensible Charaktere schaffen es zuweilen nicht, einen Krimi zu Ende zu schauen. Müssen sie auch nicht. Kritischer wird es, wenn man immer heftigere Extreme sucht, mahnt Walschburger. Zum einen kann aus dem an und für sich harmlosen Kino-Thrill eine echte Phobie – etwa panische Angst vor Spinnen – entstehen. Zum anderen lässt allzu exzessiver Horror-Konsum die Hemmschwelle absinken, fiktive Situationen in die Realität zu übertragen. Und hier hört der Spaß definitiv auf. 

 

Wie also lässt sich ein gesunder Umgang mit dem eigenen Verhältnis zum schaurig-schönen Grusel finden? Die Halloween-Kids machen es vor: Vorübergehend in eine andere, völlig fremdartige Rolle zu schlüpfen, birgt ein einträgliches Maß an Selbsterkenntnis – sofern Sie bewusst bei der Sache sind. 

 

In diesem Sinne verbleibe ich mit herbstlich-bunten Grüßen:  

 

Ihre Violeta Mikić

 

 

 

 

 

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