Violeta Mikić

Pausenbrief 03 | 2019

Nur kein Neid?!
Ich habe was, was du nicht hast …

Liebe Leser,

ging es in meinem letzten Pausenbrief noch um die Großzügigkeit, so soll diesmal die Rede von einer durchweg unbeliebten Charaktereigenschaft sein, über die man nur ungern und – wenn überhaupt – dann nur im negativen Sinne spricht: den Neid. Kaum einer ist davor gefeit, kaum einer gesteht ihn sich ein. Dabei handelt es sich um ein ganz und gar menschliches Gefühl, das sich im Idealfall sogar als persönlicher Motivator nutzen lässt. Wie das geht? Das erfahren Sie hier. Und wie immer heißt es dabei: Genießen Sie Ihre Pause!


Kürzlich wurde im TV-Polittalk »Maischberger« der Ruf nach einer »Reichensteuer« diskutiert. Hoch ging es her, schmal war der Grat zwischen Gerechtigkeitsempfinden und Neid. Millionär Werner Mang bedauerte, dass man hierzulande seinen Ferrari zerkratze, während der Luxuswagen in Italien »gestreichelt und fotografiert« werde. Ein typisches deutsches Phänomen also? Auch der Kolumnist Harald Martenstein verwies jüngst im ZEIT-Magazin auf einen interkulturellen Unterschied: »Weil es den Neid gibt, vertuschen Deutsche oft ihren Reichtum. Und weil in den USA der Neid weniger ausgeprägt ist, zeigen manche Amis offensiv, was sie haben.« Interessant sei ebenfalls, dass bei uns der Neid auf Showstars seltener vorkommt als der auf Unternehmer oder Manager: »Jeder begreift, dass Stars ihrem Publikum etwas geben, irgendwas, das andere nicht geben könnten. Ist dies nicht auch bei erfolgreichen Unternehmern der Fall? Wenn ich Länder mit Unternehmern und Länder ohne Unternehmer miteinander vergleiche, dann lautet meine Antwort: Ja. Reiche Diktatoren wie der Koreaner Kim sind Schmarotzer, die ihr Volk bestehlen. Steve Jobs war kein Schmarotzer.« – Gut gesagt! 


Aber wo kommt er eigentlich her, der Neid? In der Evolution des Menschen spielte Neid als Ergebnis des Wettstreits um begrenzte Ressourcen schon immer eine wichtige Rolle. Wer mehr als die anderen hatte, konnte dadurch die Vorherrschaft über eine Gruppe und den besten Partner für die Fortpflanzung gewinnen. Heute differenziert die Psychologie zwei unterschiedliche Grundformen: Zum einen gibt es den aggressiven Neid, der sich destruktiv auswirkt (wenn ich das begehrte Gut nicht haben kann, dann soll es auch der andere nicht haben), was bis hin zur aktiven Zerstörung führen kann (wie beim oben genannten Ferrari). Der generöse Neid hingegen hat mit Missgunst nichts zu tun. Auch er vergleicht Errungenschaften und Leistungen, aber er entwickelt dabei produktive Ideen des Nacheiferns. Zur Veranschaulichung mag das Beispiel zweier Olympiasportler dienen: Der Gewinner der Silbermedaille schielt auf die Goldmedaille des Konkurrenten. Nun kann er seinem Gegenspieler vor dem nächsten Wettkampf einen Beinbruch wünschen (aggressiver Neid), damit dieser nicht mehr antritt. Oder aber er trainiert umso eifriger (generöser Neid), um den anderen letztlich zu übertrumpfen. 


Neid macht einsam – und ersten Forschungsergebnissen zufolge vermutlich auch krank. Der Sozialpsychologe Jan Crusius rät deshalb, den eigenen Neid zu hinterfragen. »Man kann es als Alarmsignal verstehen: Da läuft etwas falsch, da muss ich reagieren. Das kann ein starker Motivator sein.« Sein Kollege Prof. Dr. Rolf Haubl ergänzt: »Lassen Sie den Neid zu. Finden Sie heraus, was er über Sie aussagt. Und machen Sie sich klar: Sie haben es selbst in der Hand, sich mit denen zu vergleichen, die mehr haben, oder mit denen, die weniger haben.«


Der germanische Ursprung des Wortes »Nid« bedeutet übrigens schlichtweg »Anstrengung, Wetteifer«. Wem es gelingt, seinen Neid in »Nid« zu verwandeln, ist also auf dem besten Weg in Richtung Siegertreppchen.


In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Erfolg beim Wetteifern! 

 

Ihre Violeta Mikić.






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