Violeta Mikić

Pausenbrief 09 | 2015

Verblüffende Erkenntnisse über das Eselsohr
Ein unterschätztes Tier zeigt uns, wie echte Kommunikation funktioniert

Liebe Leser,

sind wir nicht alle höchst interessante Geschöpfe? Mensch und Tier machen in ihrer Körpersprache keinen Hehl aus ihren Befindlichkeiten. Ein hübsches Beispiel: der Esel, das nützliche, das störrische, das liebenswerte Wesen. Lassen Sie sich getrost die Ohren langziehen! Und wie immer heißt es dabei: Genießen Sie Ihre Pause! 

 

Esel haben sehr, sehr lange Ohren. Die sind dreh- und schwenkbar, erreichen einen verblüffend großen Radius und können sogar einzeln rotieren. Sie sind auf fantastische Weise vieldeutig. Man vermag zu glauben, dass sie ein Eigenleben führen. Etwas propellerartiges haftet ihnen an, als könnte das Tier im nächsten Augenblick abheben. Die Italiener sprechen keck vom „asino volante“, vom fliegenden Esel, wenn sie jemandem „einen Bären aufbinden“ (eine typisch deutsche Redewendung, die uns auf den Boden drückt, statt in den Himmel zu blicken). 

 

Esel irritieren unseren Sinn für Symmetrie. Ihre Lauscher tanzen aus der Reihe. Weiß das rechte Ohr, das sich skeptisch schräg nach hinten legt, was das linke tut, das sich soeben vorwitzig dem Auge des Betrachters nähert? Dem Vierbeiner ist es herzlich egal, was wir von seinen unwillkürlich zur Schau gestellten widersprüchlichen Empfindungen halten. Wie erhaben wirkt diese Esel-typische Sturheit, mit der dieses Tier zugleich seinen Stolz und seine Würde wahrt! 

 

Zugegeben: Wir Menschen haben nicht allzu bewegliche Ohren, aber unsere Ausdrucksformen sind freilich weitaus virtuoser als die des Esels. Mittels der Körpersprache können wir sowohl die eigenen Emotionen als auch die unseres Gegenübers differenziert wahrnehmen und angemessen darauf reagieren. Im Idealfall lassen sich dabei die Abläufe jeder zwischenmenschlichen Kommunikation gezielt steuern – ein unverzichtbares alltägliches Instrument insbesondere für Führungskräfte. 

 

Das Schlusswort überlasse ich diesmal dem großartigen Dichter Heinrich Heine: „Gott hat die Esel geschaffen, damit sie dem Menschen zum Vergleich dienen können!“ 

 

Ihre Violeta Mikić.