Violeta Mikić

Pausenbrief 05 | 2019

Schwierige Zeitgenossen

Über den Umgang mit Nervensägen, Quälgeistern und sonstigen unangenehmen Mitmenschen

Liebe Leser,

für die meisten ist es die schönste Zeit: der Frühling. Manch einem wird die Saison durch Heuschnupfen verleidet, andere quälen sich das ganze Jahr über mit einer nicht minder seltenen immunologischen Reaktion. Die Rede ist von der »sozialen Allergie« – nicht gegen Pollen, sondern gegen enervierende Mitmenschen. Die folgenden Zeilen verraten, wie man am besten mit der eigenen Übersensibilisierung umgeht. Und wie immer heißt es dabei: Genießen Sie Ihre Pause! 


Nobody‘s perfect: Es sind die großen und kleinen Marotten der anderen, die uns im Alltag zuweilen schier in den Wahnsinn treiben. Ob notorische Zu-spät-Kommer, Leute, die übermäßig laut telefonieren oder jene mit dem berühmt-berüchtigten Putzfimmel. Scheint ja eigentlich alles halb so wild. Trotzdem regen wir uns darüber auf. Und zwar umso intensiver, je häufiger und länger wir den wiederkehrenden Verhaltensweisen eines Mitmenschen ausgesetzt sind. Dazu hat der US-amerikanische Psychologe Michael Cunningham die Theorie der »sozialen Allergie« aufgestellt. Die Gepflogenheiten des Gegenübers beeinflussen unsere Emotionen auf ganz ähnliche Weise wie die immunologische Funktionsweise von physischen Allergenen. Genauso wie der Körper eines Allergikers auf Erdnüsse oder Katzenhaare anfangs leicht und bei jedem weiteren Kontakt immer stärker reagiert, steigert sich auch die soziale Allergie allmählich ins Unerträgliche. Kleine Irritationen können sich also im Laufe der Zeit so stark aufblähen, dass daran sogar Beziehungen zerbrechen.


Um das Phänomen näher zu beleuchten, bringt Cunningham den Effekt der »stimmungskongruenten Erinnerung« ins Spiel. Fühlt man sich durch das Agieren eines anderen genervt, werden dadurch leicht Erinnerungen an einen ähnlichen Vorfall aktiviert, die gar nichts mit der aktuellen Situation zu tun haben müssen. Die negativen Gefühle der Vergangenheit plus die der Gegenwart addieren sich quasi unbewusst auf. In den seltensten Fällen ist jedoch das Verhalten der Leute selbst ärgerlich. Es gewinnt seine Brisanz eher dadurch, dass man dem Gegenüber fälschlicherweise böse Absichten unterstellt (etwa dem Zu-spät-Kommer, dass er extra lange herumtrödelt, um andere warten zu lassen). Ist vermutlich gar nicht der Fall. Wer sich dies vor Augen führt, kann die »Schwächen« seiner Zeitgenossen schon erheblich besser tolerieren. Und sich vielleicht auch damit trösten, dass ein Putzfimmel eher zu den kleineren Problemen in dieser Welt gehört. 


So mancher alltägliche Störfaktor lässt sich übrigens auch durch ein klärendes Gespräch aus dem Weg räumen. Wer seinen übermäßig laut telefonierenden Kollegen im Büro etwa freundlich darum bittet, mit seinem Handy vor die Tür zu gehen, wird es wohl kaum verübelt bekommen. Apropos freundlich: Grobes oder gar aggressives Verhalten ist gemeinhin etwa so ansteckend wie eine Erkältung. Schon eine einzige unfreundliche Begegnung steigert die Chance, dass wir uns selbst danach intuitiv unfreundlicher verhalten – auch gegenüber Mitmenschen, die uns gar nichts getan haben. Mit anderen Worten: Wer sich mit Nervensägen umgibt, wird selbst zur Nervensäge. Umso wichtiger ist es also, die Nerven zu bewahren und den richtigen Ton zu treffen. Der nämlich macht wiederum die Begleitmusik, die unseren Alltagsstress mehr oder weniger zu entlasten vermag. 


Der kluge Umgang mit jenen, die uns stören, ist also letztlich immer auch ein kluger Umgang mit uns selbst.

 

Es grüßt in diesem Sinne herzlich

 


Ihre Violeta Mikić.






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