Violeta Mikić

Pausenbrief 01 | 2022

Glockenklang a la casa

...und selbst wer am Rande von Berlin lebt, soll noch gesehen haben, dass der Himmel über der City an Silvester diesmal so bunt wie selten in den letzten Jahren war – Raketenknall, Goldregenstaub, Feuerkonfetti, sogar in Hamburg habe man es noch gesehen! Und für dessen City und Umland galt dasselbe und ebenso für Köln, München, Frankfurt, Hannover, Kiel, Dresden, Freiburg, Rostock, Trier... Denn sie feiern nämlich doch, liebe Leserinnen und Leser! Wer? – Wir, die Menschen! Obwohl diesmal "coronabedingt" ein bundesweites Verbot für Silvesterböllerei vorgelegen hat.


Selbst bin ich eigentlich gar kein Silvester-Fan. Tatsächlich passieren jedes Jahr schlimme Unfälle, ausgelöst durch Fahrlässigkeit im Umgang mit Brandsätzen fürs Lustigsein. Pyrotechnik ist nicht umsonst ein Beruf. Es kann insofern kein gesellschaftliches Ethos sein, Feierlichkeiten abzuhalten, bei denen Leute verletzt werden. Aber: Ist es deshalb erlaubt, Feierlichkeiten zu verbieten, weil, – ja, warum eigentlich?


Weil die Krankenhäuser zur Zeit, heißt es, aufgrund der Auslastung mit Coronapatient*innen nicht mit einer erhöhten Zahl von Verletzten würden umgehen können. Doch darf ein Staat verhindern, dass wir uns über den Tellerrand der Rationalität hinaus entfalten? Dazu gehört zumindest die Möglichkeit, sich individuell für Silvesterknallerei entscheiden zu können, auch in einer Krise:


Weit mehr als eine Tradition ist das ein uraltes Ritual, nach Einbruch der Dunkelheit am letzten Tag des Jahres, der in die Phase der Rauhnächte fällt, Pech, Dämonen und böse Geister mit Krach zu vertreiben. Krach aus Schellen, Peitschen, Ratschen und eben auch aus Feuerpistolen. Ich möchte mir das Austreiben nicht austreiben lassen! Eher verspüre ich, mit allen gemeinsam darüber nachdenken zu wollen, was generell an die Stelle eines Böllerverbots rücken könnte.


Zum Beispiel ein offizielles Feuerwerk, das sich choreographieren ließe und auf diese Weise gar wieder an die märchenhafte Qualität der Feuerwerke jener Zeit heranrückte, als Händel seine Music for the Royal Fireworks schrieb – ein Fest der Farben, Formen und Illusionen! Die Regierung hätte damit einen Staatsakt mit Kontrollhoheit, ohne Verbotslinien zu ziehen und wir einen individuellen Schutz, ohne auf das Träumen verzichten zu müssen. Wär' doch auch viel weniger Stress. Keine Sorge mehr, von einem Blindgänger getroffen zu werden. Weniger Stress vor allem für unsere Mitwelt, insbesondere die Vögel. Händels Komposition war selbst für einen Friedensschluss gedacht (den von Aachen nämlich, 1749). Das möchte ich mir auf der Zunge zergehen lassen. Wie auch mein Schokoladenorakel, an das ich mich plötzlich erinnert habe. Und ich habe wieder Töpfe geschlagen mit super Soundergebnis, Glockenklang a la casa. Es hat mich glücklich gemacht. Denn damit bin ich eingekehrt in ein friedliches Vertreiben. Sozusagen in eine besinnliche und bewusste Vertreibung des Bösen. Ich glaube, sowas brauchen wir für das neue Jahr 2022!

 

Auf alle guten Geister!


Ihre

Violeta Mikić