Violeta Mikić

Pausenbrief 09 | 2018

Malen nach Zahlen oder erst mal locker skizzieren?
Über die hohe Kunst der Zukunftsplanung

Liebe Leser,

das Museum der Berliner Tchoban Foundation präsentiert derzeit die Ausstellung »Gezeichnete Ideen«. Zu sehen sind Skizzenbücher von zehn Architekten der Moderne, darunter Größen wie Le Corbusier oder Alberto Ponis. Von geraden Linien keine Spur – meist sind die Entwürfe eher grob hingekritzelt, dafür aber beeindruckend virtuos. Es ist also nicht immer unbedingt der Masterplan vom Reißbrett, der letztlich zu epochalen Bauwerken führt. Was wir daraus für unsere eigene Zukunftsgestaltung oder die weitere Karriereplanung lernen können? Das erfahren Sie hier. Und wie immer heißt es dabei: Genießen Sie Ihre Pause!

 

Schneller, höher, größer, weiter. Die Maxime unseres Wirtschaftssystems lautet »Wachstum«. Und auch im gesellschaftlichen Kontext grassiert das Optimierungsfieber. Allerorten verweisen Ratgeber aus Buchhandlungen, Blogs im Internet oder Coaches auf die ideale Lebensgestaltung. Für Job, Ehe, Familie scheint gleichermaßen zu gelten: Bei perfekter Planung klappt alles wie am Schnürchen. Analog zu diesem Beratungsmarkt steigen auch die Erwartungen an ein erfolgreiches Dasein. Aber wer immer alles gut und richtig machen will, steht sich zuweilen selbst im Weg – oder landet mit Burnout beim Therapeuten. Das zumindest beklagt der Psychologe Nils Spitzer. Seine Patienten »trainieren bis zum Umfallen, hungern sich halb zu Tode, bringen sich mithilfe von Psychopharmaka in Stimmung und trimmen sich auf geistige Höchstleistung.« Je höher die Ziele gesteckt seien, desto stärker sei eben auch die psychische Belastung. Solche Menschen schauen eher auf Fehler als auf Erfolge und leiden entsprechend, wenn sie ihren ehrgeizigen Masterplan nicht erfüllen können. Dieser Optimierungswahn betreffe nicht nur Bodyshaping und Hirntuning, sondern auch die Gestaltung der eigenen Biografie. 

 

Dummerweise verläuft das Leben selten geradlinig, sondern hält ziemlich viele Überraschungen bereit. Hat man Abläufe zu engmaschig geplant, lässt sich dann kaum mehr angemessen reagieren. Wir halten am einmal eingeschlagenen Weg fest, ignorieren Rückschläge so lange wie möglich – bis zum endgültigen Kollaps. Wer flexibel bleibt, zu improvisieren versteht, Abweichungen zulässt, hat die besseren Karten. Warum also verzichten wir nicht darauf, alles bis zu Ende durchbuchstabieren zu wollen, sondern sehen das Leben als unfertigen Entwurf, als Skizze? Die Skizze, oft intuitiv, hat stets den formalen Charakter der Vorläufigkeit. Und doch enthält sie bereits die Essenz einer Idee oder eines Konzepts. Skizzieren setzt Kreativität frei – und dieser positive Effekt lässt sich wiederum gut auf eigene Zielsetzungen übertragen.

 

Dem Prinzip »Versuch und Irrtum« folgend, lässt sich Neues ausprobieren – und zwar so, dass wir nicht gleich alles auf eine Karte setzen und jederzeit Korrekturen möglich sind. Stellt sich dann ein »Irrtum« heraus, geht es darum, dass wir die Fehler als solche akzeptieren, richtig interpretieren und als Lernchance wahrnehmen. Genau so hat es übrigens das erfolgreichste Problemlösungsprogramm aller Zeiten gemacht: die Evolution. Statt die Lebewesen der Erde im Voraus durchzudesignen, wurde immer wieder ein Scheitern riskiert, aus Rückschlägen gelernt und eine schrittweise Verbesserung erzielt – eine allmähliche Anpassung an sich verändernde, komplexe Umwelten. Was locker skizziert begann, wurde eines Tages zu überlebensfähigen Spezies.

 

Zu sehen ist die oben genannte Ausstellung »Gezeichnete Ideen« übrigens noch bis zum 7. Oktober. Sollten Sie in dieser Zeit in Berlin weilen, schauen Sie doch mal rein und lassen sich inspirieren – empfiehlt wärmstens:


Ihre Violeta Mikić.






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