Violeta Mikić

Pausenbrief 02 | 2016

Wo es jetzt noch heiß ist ...
Erkenntnisreiche Sauna-Aufgüsse – aus der Sicht der Körpersprache

Liebe Leser,

in diesen Tagen entspannt man sich gern in der Sauna. Allein oder mit guten Freunden ist das eine gemütliche Sache. Aber kaum sind berufliche Kontakte mit von der Partie, wird es schnell heikel. Wo schaut man hin – und wo weg? Dabei gelten andere Regeln als am Konferenztisch. Und folgenschwere Entscheidungen sollte man an dieser Stelle meiden. Begleiten Sie mich auf einen spannenden Trip in den Schwitzkasten der Körpersprache! Und wie immer heißt es dabei: Genießen Sie Ihre Pause! 

 

Man schreibt das Jahr 1960: Der russische Staatsgast Nikita Chruschtschow wird in Helsinki zum traditionellen Saunabesuch geladen. Birkenzweige, trockene Heißluft und rinnender Schweiß sorgen für eine überraschende Kehrtwende in der Frage um Finnlands Beitritt zur europäischen Freihandelsassoziation: Präsident Urho Kekkonen ergattert wider Erwarten den begehrten Segen Chruschtschows. 

 

Helmut Kohl hingegen, der privat im Ludwigshafener Hallenbad Nord zu saunieren pflegte, gab Boris Jelzin anno 1993 im Dampfbad am Baikalsee Paroli, was die geforderten Millardensummen für den Abzug russischer Truppen aus Ostdeutschland anging. Allein Kohls Leibesfülle dürfte das russische Staatsoberhaupt in Verlegenheit gebracht haben. Denn man mag ein noch so routinierter Saunagänger sein: In der Schwitzkammer weiß kein Mensch so recht, wohin er den Blick wenden soll. Jedes »Wegschauen« impliziert gespieltes Desinteresse, und Hinschauen auf die nackte Haut entlarvt eine möglicherweise distanzlose Neugierde, die man sich beim Blick auf Helmut Kohls stattliche Rundungen lieber gar nicht erst vorstellen mag. 

 

Wenn gar nichts mehr geht, schauen Sie auf die Sanduhr, lassen Sie getrost den Schweiß strömen. Wer zum Gespräch genötigt wird, bleibt bestenfalls höflich-distanziert. Im Smalltalk beschränkt man sich auf praktische Fragen, etwa wie lange man nun schon hier drinhockt. Alles andere ­– man denke an Chruschtschow – vermag uns zu allzu voreiligen Zugeständnissen verführen und hat in der intimen Situation nichts zu suchen. »Die Sauna macht das Fleisch weich«, sagen die Finnen.  

 

So verbleibe ich für heute mit wärmsten Grüßen: 

 

Ihre Violeta Mikić.