Violeta Mikić

Pausenbrief 04 | 2017

Die Kehrseite der Eitelkeit
Ein Exkurs über tierische und menschliche Geltungsbedürfnisse

Liebe Leser,

der Lenz ist da! Wohl dem, der sich jetzt mit offenen Sinnen ins Freie begibt. Bäume und Sträucher hüllen sich in blühende Hochzeitsgewänder, Singvögel tirilieren um die Wette, den Vier- (und auch so manchen Zwei-) beinern steht der Sinn nach den Freuden der Liebe. Im Frühling bietet die Natur besonders inspirierende Momente. Welche interessanten Rückschlüsse wir dabei auf das eigene Verhalten ziehen können, erfahren Sie hier. Und wie immer heißt es dabei: Genießen Sie Ihre Pause! 

 

Still lag der Berliner Wannsee in den ersten Strahlen der Frühlingssonne. Noch herrschte Ruhe rund um die wunderschöne Pfaueninsel, auf der bald die Touristenströme Einzug halten. Doch schon auf der Überfahrt mit der Fähre hörte ich bizarre Schreie. Sie entstammen den Kehlen der schrägen Vögel, nach denen das Eiland benannt ist. Im April ist Balzzeit, der Pfau gibt sich von seiner schönsten Seite. Sein aufgefächertes, farbenprächtiges Federkleid lässt er heftig rascheln. Um das umworbene Weibchen zusätzlich zu beeindrucken und Rivalen zu vertreiben, kreischt der Verehrer nach Leibeskräften. Sein unverhohlenes Liebeswerben brachte mich zum Schmunzeln und stimmte mich zugleich nachdenklich. 

 

Kein anderes Tier steht mehr für Eitelkeit, Stolz und Hochmut. Eine geächtete Dreieinigkeit, die im Katholizismus gar zu den sieben Todsünden zählt. Dem Pfau ist dessen ungeachtet (wie etwa Narziss aus der griechischen Mythologie, der sich in sein eigenes Spiegelbild verliebt) jedwede Peinlichkeit fremd, er folgt schlicht seiner Natur. Unsereins hat es da schwerer. Der Homo sapiens kann sich nämlich kräftig blamieren, wenn er sich allzu sehr aufbläht, um seine Schokoladenseite zu präsentieren. Nicht zuletzt gilt der »eitle Pfau« als Schimpfwort. Aber ist es tatsächlich so verwerflich, sein äußeres Erscheinungsbild aufzupolieren? Wohl kaum. Wie so oft kommt es auf das rechte Maß an! 

 

Mit feinem Tuch, edlen Düften und zur Schau gestellten Statussymbolen allein lässt sich die Welt freilich nicht erobern. Wer – mit welchen Absichten auch immer – wirklich Eindruck schinden will, muss die körpereigenen sinnlichen Sensoren unter dem schicken Federkleid aktivieren. Das heißt: bewusst hinschauen, zuhören und einfühlsam (re-) agieren. Echter Charme ist nun mal nicht zu toppen. 

 

»Der Pfau ist um seinen Schwanz besorgt, der Edle um seine Ehre«, lautet ein chinesisches Sprichwort. Von so manchen fernöstlichen Weisheiten und Impressionen aus dem Tierreich können wir durchaus einiges lernen. 

 

 

Es grüßt in diesem Sinne Ihre, vom Frühling beseelte:  

 

Violeta Mikić. 

 

 

 

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