Violeta Mikić

Pausenbrief 04 | 2016

»Mahlzeit!« – so schallt es über den Flur
Was hat es mit dieser Grußformel aus dem Büroalltag eigentlich auf sich?

Liebe Leser,

zwischen Kantine, Kopierer und Fahrstuhl heißt es oft »Mahlzeit« – ein einsilbiger Gruß indifferenter Höflichkeit, den wir alle kennen. Was haben Führungskäfte, leitende Angestellte, Sekretärinnen oder Praktikanten einander bei so spontanen wie flüchtigen Begegnungen auf dem Flur eigentlich zu sagen? Wünscht man von morgens bis abends guten Appetit? Wohl kaum. Darüber wollen wir mehr erfah­ren. Und wie immer heißt es dabei: Genießen Sie Ihre Pause! 

 

Einige Unternehmen empfehlen in ihren internen Umgangsleitlinien, von dieser leidigen Begrüßungsformel Abstand zu nehmen. In der Tat ist der Spruch ziemlich überholt: »Prosit Mahlzeit« hieß es vor rund 200 Jahren, wenn arme Bettelstuden­ten einerseits hungrig, andererseits frech und übermütig an die Türen der Bauern­häuser klopften, um ein warmes Essen zu ergattern. Statt Suppe mit Brot gab es dafür so manches Mal nicht ganz so leicht verdauliche Kopfnüsse und Ohrfeigen. 

 

Der spröde Gruß »Mahlzeit«, heute allein im Arbeitsalltag zu hören, erinnert an fades Kantinenessen mit klebrigem Kartoffelbrei oder an den stumpfen Geruch gebohnerten Linoleums. Es gibt freilich Schöneres, das man einander wünschen kann. Aber wie stemmt man das spontan Aufeinandertreffen mit Hinz und Kunz auf dem Büroflur souverän? Gewiss nicht mit achtlosen Floskeln wie »Mahlzeit«. 

 

Es spricht gar nichts gegen den gepflegten Smalltalk auf dem Büroflur. Das dürfen Sie ganz nach Lust und Laune tun. Aufgepasst und hingeschaut: Mit einer loben­den Erwähnung der neuen Frisur Ihres Gegenübers oder ähnlichen Aufmerksam­keiten lässt sich punkten, und auch eine Bemerkung über das Wetter nach guter englischer Art wird niemanden vor den Kopf stoßen. Aber erzwingen Sie es nicht. Ein kurzes Zunicken, ein freundliches Lächeln kann durchaus genügen – Ihre be­wusst eingesetzte Körpersprache signalisiert mehr Respekt als jede sinnentleerte Worthülse. »Guten Tag!« geht gerade noch an – »Mahlzeit!« jedenfalls ist passé. 

 

In diesem Sinne wünsche ich allerseits guten Appetit auf dem Weg zur Kantine: 

 

Ihre Violeta Mikić.